7.1 Einfuhrung in die Automatisierungstechnik
von Elmar Bollin
Automationsgerate bzw. Automationsstationen (AS) haben die Aufgabe Arbeitsprozesse selbsttatig ablaufen zu lassen. Dabei mussen diese Prozesse standig an die sich andernden Randbedingungen wie z. B. sich andernde Nutzungsrandbedingungen oder aktuell vorhande – nes solares Energieangebot angepasst werden. In der Funktion als Regler sorgen Automatisie – rungsgerate dafur, dass die Auswirkungen von Storgroben moglichst schnell kompensiert werden und der Nutzer entsprechende Soll-/Zielwerte vorgeben kann. Gleichzeitig wird es immer wichtiger, dass mit Hilfe moderner Regelgerate und Automatisierungstechnik Anlagen und Raume moglichst energieeffizient betrieben werden konnen. Hierbei wird in der Rege – lungstechnik der zu regelnde Prozess (z. B. der Raum oder ein Trinkwarmwasserspeicher) als Regelstrecke bezeichnet. Dazu wird bei einer Regelung standig der gewunschte Sollwert w mit dem aktuell gemessenen Istwert x verglichen und in Abhangigkeit von der aktuellen Regeldif- ferenz uber die Stelleinrichtung als Stellgrobe y ein bestimmter Energie – oder Massenstrom bereitgestellt. Das Ziel jeder Regelung ist es, die Differenz zwischen Soll – und Istwert zu mi – nimieren bzw. auf den Wert null auszuregeln.
Bild 7-1 Wirkungsplan einer Regelung mit der Fuhrungsgrobe (Sollwert) w, der Regelgrobe (Istwert) x, der Stellgrobe y und den Storgroben z; |
Beim Einsatz von regenerativen Energiesystemen ubernehmen die Automatisierungsgerate zusatzlich die Umschaltung zwischen verschiedenen Betriebsmodi, um die jeweils beste Option zur Nutzung regenerativer Energiequellen zu haben. Um dem Betreiber oder Service – Fachmann Einblick in die jeweiligen Anlagenzustanden zu geben, konnen Automatisierungsgerate eine Vielzahl von Betriebsdaten auf einem Display anzeigen oder diese Daten uber eine entsprechende Schnittstelle zur Weiterverarbeitung auf externen Rechnern zur Verfugung stellen. Weitere Zusatzfunktionen sind Dienstleistungen wie Sicherheitsschaltungen, Funkti- onskontrolle und Ertragskontrolle.
Im Zeitalter der Digitaltechnik sind Automationsgerate heute auf Mikroprozessorbasis aufge – baut. Kompakte Automationsgerate sind digitale Rechnersysteme mit Ein – und Ausgangs-
klemmen fur analoge und digitale Messsignale. Die wesentlichen Komponenten sind A/D – Wandler, RAM (Random Access Memory), (E)EPROM ((Electrically) Erasable Read Only Memory) etc. Mit Hilfe geratespezifischer Software konnen vom Geratehersteller Steuer – und Regelalgorithmen auf den Mikroprozessor geladen werden (EPROM, EEPROM oder Flash – Speicher), siehe hierzu Bild 7-2. In so genannten Kompaktreglern wird damit der Automatisie- rungsablauf durch Abarbeitung des im Gerat hinterlegten Programms festgelegt. In der Regel kann diese Regelstruktur vom Installateur oder Betreiber der Anlage bei Inbetriebnahme nicht verandert werden. Die Regler konnen jedoch vom Installateur parametriert werden, d. h. die Reglereinstellung kann den jeweiligen Gegebenheiten angepasst werden.
A(t)
9(t) U(t)..
Bei manchen Automatisierungsgeraten kann der Installateur unter verschiedenen Automatisie – rungsfunktionen per Software auswahlen und so den Regler fur verschiedene Funktionen nut – zen. Dadurch decken derartige Multifunktionsregler ein weites Einsatzgebiet ab.
Seit nunmehr zwei Jahrzehnten stehen auf dem Markt Gebaudeleitsysteme (GLT) oder Gebau – deautomations-(GA)-Anlagen auf Basis von DDC (Direct Digital Control) oder SPS (Spei – cherprogrammierbare Steuerungen) zur Verfugung. Diese Systeme sind modular aufgebaut und so in Art und Umfang auf die jeweilige Automationsaufgabe anpassbar. Bild 7-3 zeigt beispielhaft den Aufbau des Gebaudeautomationssystems des Labors Angewandte Regelungs – technik der Hochschule Offenburg. Mittels so genannter strukturierter Programmierung konnen beliebige Steuer – und Regelfunktionen in die Mikroprozessoren eingegeben werden, siehe Bild 7-4. Diese Universalitat der modularen GA-Systeme ermoglicht es in den Gebauden einen Verbund der Automatisierung aller Gewerke der technischen Gebaudeausrustung zu realisieren.
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Bild 7-3 Aufbau des GA-Systems des Labors Angewandte Regelungstechnik an der Hochschule Offenburg, dargestellt im drei Ebenen-Modell mit den NK-Modulen zum AnschlieBen der Feldgera – te, den modularen DDC-Automationsstationen NRUA (bietet 8 analoge Eingange und 8 analo – ge Ausgange) und NRUD (bietet 16 analoge Eingange und 16 analoge Ausgange und zusatz – lich 8 digitale Eingange und 8 digitale Ausgange), dem Handbediengerat NBRN, dem Schnitt- stellenmodul NICON und dem Controler NCRS fur die Kommunikation mit dem Desigo Leit – rechner der Fa. Siemens.
F08.2/02 F10.1/02 Bild 7-4 Strukturdiagramm einer Reglersequenz zum Heizen und Kuhlen |
In kommerziellen Gebauden wie z. B. Hotels, Verwaltungsgebaude oder Krankenhausern ist das heute Stand der Technik. Im Wohnungsbau sind entsprechenden Hausautomationssysteme auf dem Vormarsch. Basis des Automationsverbundes sind Kommunikationsleitungen, so genannte Bussysteme. Uber diese Bussysteme kommunizieren digitale Automationsgerate mit festgelegten Kommunikationsprotokollen untereinander und bilden so den Verbund. Dabei kann heute sowohl vertikal, also vom Sensor/Aktuator zum Automationsgerat bis in die Leit – zentrale, als auch horizontal zwischen digitalen Feldgeraten (Sensoren/Aktuatoren) oder zwi – schen den Automationsgeraten kommuniziert werden.
Offene Kommunikationssysteme ermoglichen eine herstellerneutrale Vernetzung von Automations – und Feldgeraten. Im TGA-Bereich haben sich heute die Systeme EIB/KNX, LON und BACnet etabliert. Verstarkt werden hier auch Internet – und webbasierte Technologien einge – setzt bzw. kombiniert. In Bild 7-5 ist beispielhaft fur einen Regelkreis ein LON-Netzwerk dargestellt.
Uber Netzkoppler wie z. B. Router oder Gateways konnen zum Beispiel mit einer so genann – ten OPC-Server/Client-Struktur (OLE for Process Control) unterschiedliche Kommunikationssysteme verlinkt werden. Bild 7-6 zeigt ein solches GA-System mit Anschlussoption fur Fremdsysteme, diverse Bussysteme und OPC-Server.
Werden regenerative Energiesysteme in Gebauden mit vorhandenen Gebaudeautomations- Systemen eingesetzt, ist es sinnvoll, die Automatisierungsfunktion in die Gebaudeautomation zu integrieren bzw. die Gebaudeautomation um diese zu erweitern. Damit kann die gesamte Anlagentechnik zentral uberwacht und eingestellt werden. Wird diese Gebaudeautomation, wie zum Beispiel in grofien Krankenhausern fachmannisch betreut, konnen Hemmschwellen wie z. B. eine schlecht verstandliche Dokumentation uberwunden werden und die Gebaudeautomation effizient fur die Prozessoptimierung eingesetzt werden.
Als aufierst hilfreich fur die Planung und den Betrieb von GA-Systemen hat sich die VDI Richtlinie 3814 erwiesen. In Blatt 1 der VDI 3814 wird eine Methode zur herstellerneutralen Darstellung und Dokumentationen von Automatisierungsfunktionen vorgeschlagen, [7-1]. Auf Basis des Anlagenschemas konnen samtliche Automatisierungsfunktionen ubersichtlich do – kumentiert und die einzelnen Sensoren/Aktuatoren eindeutig entsprechenden Automatisie- rungsfunktionen zugeordnet werden. Neben den Signalverknupfungen konnen auch die Regel-
strukturen sowie die Regeldiagramme dargestellt werden. Bild 5-2 zeigt ein Automations – schema fur eine solarthermische GroBanlage zur Trinkwassererwarmung. Diese Methode er – moglicht eine herstellerneutrale Ausschreibung der Automation. Nach Fertigstellung der Anla – ge kann mit Hilfe der Automationsschemata nach VDI 3814 die Anlagenautomation dokumen – tiert und standig aktualisiert werden. Dies ist ein entscheidender Vorteil bei der Optimierung von TGA-Anlagen und naturlich auch bei der Nutzung regenerativer Energiequellen.
Bild 7-5 Umsetzung einer Regelung mit dem LON-Feldbus. Die intelligenten Feldgerate Temperatur – sensor, Stellventil und Sollwertgeber sind digital vernetzt und kommunizieren via LON mit dem Regler [7-4]
Mit der VDI 3813 ist eine Richtlinie mit mehreren Blattern entstanden und teilweise noch in Arbeit, die sich mit den Automationsfunktionen wie Kuhlen, Heizen, Beleuchten im Raum beschaftigt. Das Ziel ist es, in einer fruhen Planungsphase Raumautomationsfunktionen syste- matisch, technologieunabhangig und herstellerneutral zu beschreiben. Auf Basis der definier – ten Raumautomationsfunktionen konnen dann entsprechende Raumautomationsschemata mit Funktionslisten als Planungs – und Ausschreibungsgrundlage erstellt werden.
Universal
—— I Gateway
Bild 7-6 Heterogenes universell einsetzbares GA-System der Fa. Sauter Cumulus mit den Bedienplatzen in der Leitebene, der Aufschaltung eigener und fremder Automationsgerate in der Automatisie – rungsebene, einem Anschluss fur OPC und Funk-Verbindung und Schnittstellen zu LON, EIB/KNX, M-Bus etc. in der Feldebene
Im Blatt 1 der Richtlinie sind hierfur die Begriffe und Definitionen zusammengestellt, [7-2]. Hier ist auch das so genannte Schalenmodell erklart, das eine systematische Systemabgrenzung in Segment, Raum, Bereich, Gebaude und Liegenschaft erlaubt, denen entsprechende Automa – tionsfunktionen zugeordnet werden konnen.
Blatt 2 der Richtlinie [7-3] wird Ende 2009 als Grundruck erscheinen. In diesem Blatt sind typische Raumautomationsfunktionen in Form einer Funktionsblockstruktur mit einer verbalen Funktionsbeschreibung aufgelistet. Hierbei handelt es sich um Funktionsgruppen wie Sensor – und Aktorfunktionen, Anzeige – und Bedien-Funktionen sowie Anwendungsfunktionen. Die Anwendungsfunktionen sind wiederum unterteilt in Basisfunktionen (z. B. Belegungsauswer – tung, Zeitprogramm), Beleuchtungsfunktionen, Sonnenschutzfunktionen, Raumklimafunktio-
nen. Auf Basis dieser Funktionen konnen dann Raumfunktionsmakros fur standardisierte Raumautomations-Anwendungen erstellt werden (z. B. Makro fur Heiz-/Kuhldeckenregler, FanCoil-Regler).
Im noch zu erstellenden Blatt 3 sollen dann typische Anwendungsfunktionen und Funktions – makros als Beispiele mit verschiedenen Technologielosungen (z. B. LONMark, EIB/KNX, IEC 61131) erstellt werden.