Rotorblatter

Je nach Einsatzbereich und gewunschten Eigenschaften des Rotorblattes mussen geeignete aerodynamische Profile, Werkstoffe und Herstellungsverfahren gewahlt werden. Wahrend der Entwurfsphase sind die teilweise divergierenden Anforderun – gen aus der optimalen aerodynamischen Gestaltung und der strukturellen Ausle – gung hinsichtlich der fertigungstechnischen Machbarkeit und der Wirtschaftlichkeit des Rotorblattes zu berucksichtigen. Dies fuhrt zu einem iterativen Auslegungspro – zess, welchem die genannten Kriterien zugrunde liegen. Als Folge dessen weicht die Form eines Rotorblattes von der aerodynamischen Optimalauslegung in man – chen Bereichen ab.

Rotorblattprofile

In den Anfangen einer systematischen aerodynamischen Forschung wurden Profile experimentell entwickelt und im Windkanal auf ihre aerodynamischen Eigenschaf – ten hin untersucht. Durch die Weiterentwicklung aerodynamischer Berechnungs – methoden ist es mittlerweile moglich, aus der Vorgabe von gewunschten aerody – namischen Eigenschaften numerisch einen Profilentwurf berechnen zu lassen. Ein Beispiel hierfur ist die Software PROFIL, auch als Eppler-Code bekannt, welche von R. Eppler und D. M. Somers im Jahr 1980 veroffentlicht wurde. Die Methode nutzt eine Kombination aus Potential – und Grenzschichttheorie und dient sowohl der Profilanalyse als auch dem dazu inversen Profilentwurf.

Der Profilentwurf beginnt hierbei mit einer vorgegebenen (d. h. gewunschten) Ge – schwindigkeits-Verteilung, wobei die Entwicklung der Grenzschicht bekannt sein muss. Die Profilkoordinaten werden mithilfe der mathematischen Methode einer komplex-konformen Abbildung ermittelt [23], wobei mehrere zusatzliche Annah – men getroffen werden mussen, um eine sinnvolle (z. B. geschlossene) Profilkontur zu erhalten. Auf diese Weise konnen beispielsweise E-, NACA-, S – oder FX-Profile gestaltet werden.

Weiterentwicklungen der Software PROFIL stellen die Programme XFOIL (ent – wickelt von Mark Drela, Massachusetts Institute of Technology, 1986) und dessen

Nachfolgerversion RFOIL dar. RFOIL beinhaltet u. a. die Moglichkeit, den Einfluss von Rotationsbewegungen auf die aerodynamischen Proflleigenschaften zu bestim – men [85].

Eine Vielzahl aerodynamischer Profllformen wurde bereits fur den Einsatz in der Luft – und Raumfahrt entwickelt. Da die Auslegungskriterien von Flugzeugtragflu – geln je nach Anwendungszweck deutlich von denen der Windkraftanlagen abwei – chen, sind diese Tragflugelprofile nicht in gleicher Weise fur Rotorblatter von Wind­kraftanlagen geeignet. Fur den Einsatz an Windkraftanlagen wird bei der Auswahl eines Proflls u. a. auf die Gleitzahlen geachtet, weil diese nach Gl. (8.62) fur den Leistungsbeiwert mafigebend sind.

Tabelle 8.1 gibt einen kurzen Uberblick zu Profllen, die zum Teil speziell fur Ro­torblatter von Windkraftanlagen ausgelegt wurden. Angegeben sind jeweils die For – schungseinrichtungen, an denen die Entwicklung der Profile stattfand, und gegebe – nenfalls eine Erlauterung zur Profilbezeichnung, welche sich haufig auf bestimmte geometrische Eigenschaften des Profils bezieht. Zur Beschreibung der Profilkontur werden die in Abb. 8.30 dargestellten Grofien verwendet.

Tabelle 8.1 Beispiele einiger aerodynamischer Profile (in alphabetischer Reihenfolge)

Bezeichnung

Erlauterung

(Herkunft)

DU-91-W2-250

91: Entwurfsjahr

W: Anwendung WKA, 2: zweiter Entwurf gleicher Dicke im Jahr 91 250: maximale Dicke/Profiltiefe in % multipliziert mit dem Faktor 10 (Delft University of Technology, Niederlande)

E 387

387: chronologische Nummerierung

(R. Eppler, Universitat Stuttgart, Deutschland)

FFA-W3-241

W: Anwendung WKA

241: maximale Dicke/Profiltiefe in % multipliziert mit dem Faktor 10 (Swedish Defence Research Agency (FOI), fruher FFA, Schweden)

FX 63-137

63: Entwurfsjahr

137: maximale Dicke/Profiltiefe in % multipliziert mit dem Faktor 10 (F. X. Wortmann, Universitat Stuttgart, Deutschland)

GO 625

625: chronologische Nummerierung (Universitat Gottingen, Deutschland)

NACA 4415

4: maximale Wolbung/Profiltiefe in %

4: Wolbungsrucklage/Profiltiefe multipliziert mit dem Faktor 10 15: maximale Dicke/Profiltiefe in %

(NASA Langley Research Center, USA)

RIS0-B1-18

B1: entwickelt fur Stall-Regelung 18: maximale Dicke/Profiltiefe in % (DTU Wind Energy, RIS0, Danemark)

S 809

809: chronologische Nummerierung

(D. M. Somers, National Renewable Energy Laboratory (NREL), USA)

Die fur die Auslegung einer Windkraftanlage wesentlichen Eigenschaften eines Pro­fils werden durch die Profilpolaren dargestellt, welche die Auftriebs – und Wider-

Rotorblatter

standsbeiwerte in Abhangigkeit des Anstellwinkels a wiedergeben. Abb. 8.31 zeigt die Profllcharakteristika fur die Proflltypen NACA 4418 und S 809.

Abb. 8.31 Links: Auftriebsbeiwerte des Profils NACA 4418 fur verschiedene Reynoldszahlen [64], rechts: Auftriebs – und Widerstandsbeiwerte des Profils S 809 bei Re = 75e6 [49]

Das Verhalten der Profile kann, wie anhand ihrer Polaren zu erkennen, in drei Berei – che eingeteilt werden: Im ersten Bereich verlauft der Auftriebsbeiwert naherungs – weise linear und der Widerstandsbeiwert ist verhaltnismaBig niedrig. Dieses Verhal­ten ist fur das NACA 4418 Profil fur einen Anstellwinkel von etwa -10° bis +10° zu erkennen. Die Stromung um das Profil entspricht dabei dem in Abb. 8.12 darge – stellten Zustand und liegt an der Ober – und Unterseite des Profils an.

Wird der Anstellwinkel weiter erhoht, erreicht der Auftriebsbeiwert im darauffol – genden Bereich sein Maximum, um danach durch eine beginnende Ablosung deut – lich abzusinken (beginnender Stall).

Im verbleibenden Winkelbereich ist die Stromung voll abgelost (engl. „Post Stall Regime“ oder „Fully Stalled Regime“) und verhalt sich so, wie in Abb. 8.13 exem-
plarisch gezeigt. Bei einem Anstellwinkel von a = 45° sind Auftrieb und Widerstand etwa gleich groB, bei a = 90° geht der Auftrieb gegen Null [49].

Подпись: NACA 4415: Auftriebsbeiwerte

Nachfolgend sind in Abb. 8.32 die Auftriebs- und Widerstandskoefflzienten des Pro­fils NACA 4415 getrennt voneinander dargestellt. Enthalten sind in diesem Fall zusatzlich Werte der Profilpolaren unter Bedingungen der sogenannten Standard – Rauigkeit (engl. „Standard Roughness“). Diese Rauigkeit wird erzeugt, indem die Oberflache des untersuchten Tragflugelabschnittes von der Profilnase an auf den ersten 8 % der Profiltiefe mit Pulver aus Siliziumkarbid beschichtet wird. Die Pul- verteilchen besitzen hierbei einen Durchmesser von 0,011 Inch bzw. ca. 0,028 cm und belegen etwa 5 bis 10 % der betreffenden Flache. Durch die Bearbeitung der Profiloberflache werden reproduzierbare Bedingungen erzeugt, die starkere Auswir – kungen haben als die ublichen Fertigungsbedingungen, jedoch geringere Leistungs – minderungen zur Folge haben als es z. B. bei Anlagerungen von Eis der Fall ware [1].

Подпись:Подпись: оRotorblatterПодпись: NACA 4415: Widerstandsbeiwerte 30 25 20 15 10 5 0

-20 -15 -10 -5 0 5 10 15 20

a in °

Re = 3e6

Re = 3e6

Re = 6e6

Re = 6e6

Re = 9e6

Re = 9e6

Re = 6e6 (Standard Rauigkeit)

Re = 6e6 (Standard Rauigkeit)

Abb. 8.32 Auftriebsbeiwerte (links) und Widerstandsbeiwerte (rechts) des Profils NACA 4415 fur verschiedene Reynoldszahlen und Rauigkeiten [2]

P – P*

Подпись: cp— p, Подпись: (8.94)

Wahrend mit dem Auftriebsbeiwert ca und dem Widerstandsbeiwert cw integrale GroBen fur den gesamten Profilquerschnitt gegeben sind, zeigt der Druckbeiwert Cp

die dimensionslose Druckverteilung auf der Profilober – bzw. Unterseite an. In Abb. 8.33 sind Messwerte fur den Verlauf des Druckbeiwertes bei verschiedenen Anstellwinkeln a in Abhangigkeit der normierten x-Koordinate dargestellt.

FFA-W3-241: Druckbeiwerte

Rotorblatter

Abb. 8.33 Messungen des Druckbeiwertes entlang der Ober – und Unterseite eines Rotorblattpro – fils bei verschiedenen Anstellwinkeln nach [29] bei Re = 1.6e6

Ist der Druckbeiwert in der oben genannten Definition negativ, liegt Unterdruck und damit ein Saug-Effekt vor. Die negativen Werte des Druckbeiwertes werden oft im oberen Teil der Ordinate aufgetragen; das Maximum im positiven Wertebereich befindet sich fur alle Kurven beim Staupunkt von cp = 1.

Updated: October 27, 2015 — 12:10 pm