15.2 Terrestrische Gefahren

Die Erdkruste, auf der wir leben, ist permanent in Bewegung.

“Alles fliefit und nichts bleibt. Es gibt nur ein ewiges Werden und Wandeln.“

Das Sein schon im Sinne des Heraklit ist nicht statisch, sondern einem ewigen Wandel unter- worfen. Diese alles irdische umfassende Realitat wird durch die oberflachliche Realitats – wahrnehmung und Lebensart der meisten Menschen verdrangt und ist mit Ursache fur irreale Wahrnehmungen und die Entwicklung von Angsten, die zur Beeinflussung ganzer Gesell – schaften missbraucht werden, die wie in bekannter Art einem Rattenfanger von Hameln fol – gen.

Heute ist die Plattentektonik die reale Grundlage zum Verstehen dieses steten Wandels, der in der Verschiebung der Kontinente zueinander, in der Entstehung von Gebirgen und Tiefsee – rinnen und den sekundaren Folgen wie Vulkanismus, Erdbeben und Tsunami sichtbar wird.

Die geologischen Vorgange, die auch zum Reaktorunfall von Fukushima fuhrten, sind von dieser Art. Im Abstand von nur 165 Kilometer von Fukushima kam es nordostlich im Japani – schen Tiefseegraben im Pazifik zu einem heftigen Beben in der Grobenordnung von 9 auf der Richterskala. Verursacht wurde dieses Beben durch die Interaktion der nordamerikanischen mit der pazifischen Erdplatte und weiteren Teilplatten, die sich dort treffen. Vor Fukushima kam es durch den plotzlichen Bruch am Rand der nordamerikanischen Platte uber eine Lange von mehreren 100 km zu einer schlagartigen Erhebung des Meeresbodens, so dass ein gewal – tiger Tsunami ausgelost wurde. Die japanische Hauptinsel Honshu wurde durch das Erdbeben mehr als 2 m nach Westen verruckt. An den Folgen des durch den Tsunami verursachten Reaktorunfalls sind glucklicherweise trotz des nicht professionellen Verhaltens der im Kraft – werk Fukushima Verantwortlichen keine Personen direkt ums Leben gekommen und auch die erreichten Strahlungswerte lassen keine signifikanten weiteren Todesfalle erwarten.

Erdbeben und Tsunamis lassen sich nicht verhindern. Mit einer erdbebenresistenten Bauweise und einer insbesondere in tsunamigefahrdeten Gebieten gegenuber dem Meeresspiegel nicht zu niedrig gelegenen Bebauung kann dennoch Zerstorungen wie in Fukushima entgegenge – wirkt werden. Zukunftige Kernkraftwerke sollten inharent sicher ausgefuhrt werden, so dass ein Brennelementschmelzen auch bei dauerhaftem Stromausfall unmoglich ist.

Die Japaner hatten die von Tsunamis ausgehende Gefahr offensichtlich falsch eingeschatzt. Das Gefahrengedachtnis fur grobe Tsunamis war verloren gegangen und Hinweise von Geo – wissenschaftlern auf historische Parallelen wie etwa den Jogan-Tsunami aus dem Jahr 869 wurden nicht mehr zur Kenntnis genommen. Mehr als 1000 Jahre spater traf wiederum ein Mega-Tsunami die Kuste der Haupinsel von Honshu, an der das Kernkraftwerk Fukushima nur wenige Meter uber dem mittleren Meeresspiegel errichtet worden war.

Die alten langs der Kuste aufgestellten Mahnsteine mit den warnenden Gravierungen "Erinnert an das Unheil der Tsunamis. Baut nicht unterhalb dieses Punktes" der Vorgangergenerationen waren vergessen (Bild 15.4) und von der Natur uberwuchert.

15.2 Terrestrische Gefahren

Bild 15.4 Vergessene Tsunami Warnsteine langs der Kuste nordlich von Fukushima

Gewaltige Tsunamis sind zu selten, um im Gedachtnis der Menschen zu bleiben. Erinnerun- gen an Katastrophen verblassen schon nach wenigen Generationen. Die Baufirmen des 20. Jahrhunderts missachteten diese Landmarken und bauten weit unterhalb der uralten Sicher – heitslinie. In Japan forderte diese Missachtung der Natur rund 20.000 Menschenleben. Nur die Bebauungen oberhalb der Grenzsteinlinie wurden vom aktuellen Tsunami verschont. Allein durch die Errichtung von Fukushima in hinreichender Hohe uber dem Meeresspiegel hatten die Ereignisse um Fukushima vermieden werden konnen.

Dieses allzu menschliche Verhalten ist auch in Deutschland anzutreffen. Durch immer neue Baugebiete in der Nahe von Flussen sind in Deutschland etwa 80 Prozent der naturlichen Uberflutungsflachen verschwunden. Die Auswirkungen der Hochwasser am Rhein, der Oder, der Donau und an der Elbe sind die Folge dieser unzulassigen Bebauung mit Siedlungen, Industrieanlagen und Verkehrswegen, die durch Versiegelung der Landschaft noch verstarkt werden. Gleiches gilt auch fur die Kustenregionen. Dem Meer durch Eindeichung abgerun – genes Land kann nicht dauerhaft besiedelt werden, da es langfristig wieder vom Meer zu –

ruckerobert wird. Auch Bergrutsche und Lawinen werden immer wieder durch menschliche Eingriffe verursacht.

Zu den nicht abwehrbaren Naturkatastrophen, die auch technologisch nicht zu beherrschen sind, gehoren Vulkanausbruche. Der letzte grobe Ausbruch eines Vulkans in Deutschland liegt mehr als 10.000 Jahre zuruck. Derzeit gibt es in Deutschland keine wirklich aktiven Vulkane, doch die Vulkane in Eifel, Vogelsberg, Westerwald, Rhon, Schwarzwald und Erzge­birge sind noch lange nicht tot. Im Inneren sind diese immer noch aktiv. Methoden zur Er – mittlung des Zeitpunkts fur einen neuen Ausbruch sind nicht verfugbar. Die Menschen stehen dieser unbandigen Kraft aus dem Erdinneren machtlos gegenuber.

Besondere Bedrohungen gehen jedoch von Supervulkanen aus, die es uberall in der Welt gibt (USA, Neuseeland, Indonesien, Japan,…). Dabei handelt es sich nicht um typisch kegelfor – mige Berge wie etwa der Atna in Sizilien, der immer wieder ausbricht, aber nicht wirklich gefahrlich ist. Supervulkane sind an der Erdoberflache kaum zu erkennen. Supervulkane entstehen, wenn Magma (Gesteinsschmelze) aus dem Erdinneren in die Erdkruste aufsteigt und dort riesige unterirdische Magmakammern ausbildet. Im Laufe vieler Jahrtausende fullen sich diese Kammern bei standig ansteigendem Druck immer weiter auf. Wenn schlieblich die Erdkruste uber der Magmakammer dem Druck nicht mehr standhalten kann, kommt es zu einem gigantischen Ausbruch und der Entladung der Magmakammer. Der Ausbruch eines solchen Supervulkans wie etwa der im Yellowstone Nationalpark kann die USA weitgehend zerstoren. Mit der bis in die Stratosphare explosiv aufsteigenden riesigen Gas – und Staubwol – ke ist eine signifikante Abkuhlung der Erdatmosphare, eine dramatische Reduzierung der weltweiten Nahrungsmittelproduktion und damit ein Massensterben verknupft. Selbst das Entstehen einer Eiszeit kann nicht ausgeschlossen werden.

Neben dem Einschlag grober Meteoriten sind die Supervulkane der Erde die grobte Bedro – hung fur die Menschen und die gegenwartige Fauna und Flora. Gegenuber dem Ausbruch eines Supervulkans ist jede Zivilisation hilflos. Eine Technologie wie die zur Verhinderung des Absturzes eines groben Meteoriten ist nicht denkbar.

So gefahrlich die Vulkane auch sein mogen, sind diese doch mabgeblich mit an der Entwick – lung des heute bekannten Lebens auf der Erde beteiligt. Plattentektonik, Vulkanismus und Erdbeben sind die Architekten der Erde und der Biosphare, ohne die es keine Kontinente, keine fruchtbaren Ackerboden und gar kein Leben in der heutigen Form auf der Erde geben wurde.

Die Erdplatten bewegen sich, kollidieren, werden verformt, brechen und versinken im Erdin – neren. Gestein andert seine Struktur unter grobem Druck und bei hohen Temperaturen. Die Atmosphare ist ebenso einem standigen Wandel unterworfen. Diese Vorgange laufen zeitlich so langsam ab, dass wir Menschen diese in unserer kurzen Lebenszeit grobtenteils gar nicht bemerken. Doch immer wieder entladen sich die Energien aus dem Erdinneren in Erdbeben, Tsunamis und Vulkanausbruchen. Wir Menschen leben in einem unsteten Lebensraum. Der Prozess der Schopfung ist nicht beendet.

Mit dem Erdinneren ist auch das Magnetfeld der Erde verknupft, das zusammen mit der Atmosphare das Leben auf der Erde vor der Teilchenstrahlung von der Sonne und aus dem Weltall hinreichend schutzt. Das Magnetfeld, das durch die Erddrehung und die Konvekti- onsstromung im flussigen Teil des Erdkerns (Erddynamo) induziert wird, ist aber nicht immer vorhanden. Wie Magnetausrichtungen in Gesteinsuntersuchungen zeigen, ist es in der Ver – gangenheit immer wieder durch Veranderungen der Konvektionsstromungen im Erdinneren zu Umpolungen des Magnetfeldes in Zeitabstanden von mehreren 100.000 Jahren gekom – men. Bei der Umpolung verschwindet temporar aber auch das die Erde schutzende Magnet – feld. Glucklicherweise wird dann die Schutzfunktion fur das Leben auf der Erde durch einen Selbstmagnetisierungseffekt ubernommen, der beim Auftreffen des Sonnenwindes in der Hochatmosphare entsteht. Dieses Ersatzmagnetfeld entsteht innerhalb weniger Stunden, nachdem das vom Erdkern induzierte Magnetfeld ausgefallen ist. Dieses naturliche sich selbst organisierende Ersatzmagnetfeld ist so stark wie das normale Magnetfeld und ubernimmt den Schutz der Erde, bis sich das nach der Umpolung wieder aufbauende geomagnetische Mag­netfeld die Schutzfunktion erneut ubernehmen kann.

Die Umpolungen in der Vergangenheit hatten auf die Entwicklung und Verbreitung der Men – schen bzw. deren Vorganger zumindest keine negativen Folgen. Solange die Atmosphare der Erde existiert, ist das menschliche Leben auf der Erde vor kosmischer Strahlung geschutzt. Offensichtlich gilt dies nicht fur unsere modernen Kommunikations- und Energieversor – gungsnetze (Abschn. 15.1), wie sich dies in konkreten Fallen bei intensiver Sonnenaktivitat bereits gezeigt hat. Die Zivilisation bleibt trotz des Selbstmagnetisierungseffekts der Atmo – sphare gegenuber kosmischen Strahlen verletzlich.

Updated: October 27, 2015 — 12:09 pm