Bis jetzt ist der Beitrag der Geothermie zur Stromerzeugung in Deutschland vernachlassigbar. Die Geothermie zur Stromerzeugung befindet sich im Experimentierstadium. Bisher konnte an vier Standorten eine geothermische Stromerzeugung realisiert werden. Zum Erreichen der realisierten Thermalwassertemperaturen zwischen 100 0C und 150 0C mussten in Abhangig – keit von den lokalen geothermischen Gegebenheiten Bohrungen bis zu etwa einer Tiefe von 4000 Meter niedergebracht werden.
Die Energie aus dem Inneren der Erde ist Warmeenergie aus der Entstehungszeit der Erde und Energie, die durch den Zerfall radioaktiver Stoffe permanent freigesetzt wird. Letztlich wird mit der Erdwarme auch die Nachzerfallswarme des naturlichen radioaktiven Zerfalls im Erdinneren genutzt. Die so aus dem Erdinneren hin zur Erdkruste abfliehende Warmeleistung ist unabhangig von den energetischen Gegebenheiten, die durch den Sonnengang und die meteorologischen Effekte in der Atmosphare zum vagabundierenden Energieangebot an der Erdoberflache fuhren, das insbesondere fur die Photovoltaik und die Windenergie unvorteil – haft ist. Die Geothermie erscheint dagegen zunachst als absolut grundlastfahig.
Trotz dieser prinzipiellen Grundlastfahigkeit ist die Geothermie in Deutschland nicht a priori zur Stromerzeugung geeignet. Ursache sind die uberwiegend ungunstigen geothermischen Gegebenheiten in Deutschland, die nur geringe Temperaturdifferenzen zwischen der Vor – und Rucklauftemperatur zum Betrieb eines thermischen Kraftwerks zur Nutzung des geother – misch erhitzten Wassers zulassen. Ganz anders ist die Situation in geothermisch bevorzugten Gebieten wie etwa in Island. Dank der vielen Vulkane sind dort die geothermischen Voraus – setzungen einzigartig. Das Landschaftsbild eines solch geothermisch bevorzugten Gebiets ist gepragt durch geysirhaft aus der Erdkruste aufsteigende Dampfschwaden (Bild 11.18). Nur wenige hundert Meter unter der Erdoberflache fliehen in wasserfuhrenden Gesteinsschichten Thermalwasser mit Temperaturen von bis zu 400 0C.
Bild 11.18 Geothermisch bevorzugte Landschaft |
Unter diesen Voraussetzungen lassen sich ohne groBe Muhe klassische thermische Kraftwer – ke zur Stromerzeugung bauen und rentabel betreiben (Bild 11.19).
Bild 11.19 Geothermische Kraftwerke zur Stromerzeugung in Island |
Unter den in Deutschland vorwiegend ungunstigen geothermischen Verhaltnissen mussen dagegen aufwendige Tiefenbohrungen von mehreren 1000 m in die Erdkruste getrieben wer- den, um bei einer Temperaturzunahme in die Tiefe von etwa 3 K pro 100 m Thermalwasser mit Temperaturen um die 100 0C zum Betreiben von Kraftwerken zur Stromerzeugung for – dern zu konnen. Dieses sehr niedrige geothermisch erschlieBbare Temperaturniveau und der damit verbundene immense Aufwand an Infrastruktur fur die Tiefbohrungen, den Betrieb und die Erhaltung des Thermalwasserkreislaufs sind die Ursache, dass es bisher in Deutschland keine nennenswerte geothermische Stromproduktion gegeben hat.
Mit der Subventionierung der Geothermie durch das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) wurden Hoffnungen geweckt, auch in Deutschland eine geothermische Stromerzeugung trotz des hohen Kostenniveaus realisieren zu konnen. Der Erfullung dieses Wunsches stehen aber nicht nur die bereits aufgezeigten Infrastrukturprobleme zur Realisierung im Weg. Die Reali – tat zeigt, dass die zunachst vermeintlich erscheinende absolute Grundlastfahigkeit der Geothermie in Wirklichkeit nicht erreicht werden kann. Das AusmaB dieser Einschrankung in der Verfugbarkeit wird die Entscheidung fur oder gegen eine geothermische Stromerzeugung in Deutschland letztendlich entscheiden.
Bisher wurde in Deutschland die Erdwarme allein zu thermischen Zwecken durch Forderung von Thermalwassern aus wasserfuhrenden Gesteinsschichten (Aquifere) genutzt. Solche Standorte, die Thermalwassertemperaturen von mindestens 100 0C bei einer hinreichenden Wasserschuttung aufweisen, sind in Deutschland die Ausnahme und nur in geothermisch besonders gepragten Gebieten (Norddeutsches Becken, Oberrheingraben und Molassebecken um Munchen, Bild 11.20) zu finden.
Bild 11.20 Gebiete in Deutschland mit gunstigen Voraussetzungen zur geothermischen Nutzung |
Um thermische Kraftwerke zur Stromerzeugung mit Thermalwasser in der GroBenordnung von 100 0C betreiben zu konnen, muss der klassische Wasser/Wasserdampf-
Kraftwerksprozess ersetzt werden. Es sind Warmetrager zu verwenden, die bei diesen niedri – geren Temperaturen verdampfen. Diese an die Thermalwasser angepassten thermodynami- schen Prozesse arbeiten mit organischen Arbeitsmedien (ORC-Prozess) oder Ammoniak – Wasser-Gemischen (Kalina-Prozess). Die erreichbaren Wirkungsgrade sind wie erwartet sehr gering (Carnot) und werden durch den signifikanten Eigenstrombedarf fur den permanenten Pumpenbetrieb zur Forderung der Erdwarme nochmals gravierend verschlechtert. Die bei – spielsweise im bayrischen Geothermiekraftwerk Unterhaching (Forderbohrung: 3350 m, 122 0C) mit Kalina-Technologie erreichte elektrisch nutzbare Leistung von 1,8 MW kann aus der Tabelle 11.2 entnommen werden, die auch die zugehorigen kraftwerksspezifischen Daten enthalt.
Tabelle 11.2 Geothermales Kraftwerk Unterhaching
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In den in Deutschland mehrheitlich vorhandenen Bereichen mit nicht Thermalwasser fuhren – den Gesteinsschichten kann die Erdwarme nur aus der trockenen Erdkruste selbst entnommen werden. Fur diese Anwendungen eignet sich das Hot-Dry-Rock-Verfahren (HDR) nach Bild 11.21, mit dem zur Gewinnung der Erdwarme Wasser uber eine Injektionsbohrung in den Boden verpresst wird, das sich in der Erdkruste bei Bohrtiefen von mehr als 5000 m auf Temperaturen von uber 2000 C erhitzt.
Bild 11.21 Geothermisches HDR-System zur Nutzung der Erdwarme mit Entnahme – und Ruckspeisebohrung des Zirkulationssystems |
Voraussetzung fur die Umsetzung des HDR-Verfahrens ist ein heifies trockenes Tiefengestein mit bereits vorhandenen Rissen und Kluften. Diese Risse und Klufte konnen mit Hilfe eines Gemisches aus Wasser und gesteinsaushohlenden Chemikalien vergrofiert und hydraulisch durchgangig gemacht werden, das uber das zuerst niedergebrachte Bohrloch unter hohem Druck eingepresst wird.
Mit diesem so in der Erdkruste geschaffenen Warmetauscher mit grofier Oberflache und grofiem Volumen kann dann die Warmeenergie im Tiefengestein auf den zur Forderung der Warmeenergie genutzten Warmetrager Wasser ubertragen und damit erhitzt werden, der dann uber ein zweites spater niedergebrachtes Bohrloch zur Forderung der Erdwarme an die Erd – oberflache gepumpt wird. Die Hot-Dry-Rock-Technologie hat den Vorteil, dass sich diese grofiraumig und unabhangig von geologisch bedingten unterirdischen Wasser – oder Dampf- vorkommen und damit weitgehend standortunabhangig anwenden lasst. Trotz all dieser Vorteile kann auch mit der HDR-Technologie keine wirklich nachhaltige Nutzung der Erdwarme zur Stromerzeugung erreicht werden. Dies ware nur dann der Fall, wenn die aus dem Warmetauscher in Form eines mehr oder weniger porosen Gesteinvolumens entnommene Erdwarme aus dem ungestorten Gestein der Umgebung in gleicher Grobenordnung nachflie – ben konnte. Wegen der sehr schlechten Warmeleiteigenschaften des ungestorten Gesteins ist dieser Nachfluss aber stark begrenzt. Dies hat zur Folge, dass dauerhaft entweder nur sehr geringe thermische Leistungen zur Stromerzeugung zur Verfugung stehen oder aber in Ab – hangigkeit vom Warmetauschervolumen bei groberer Leistungsentnahme eine Entnahme an Erdwarme nicht dauerhaft moglich ist.
Bedingt durch die geringe Warmeleitfahigkeit des Gesteins gerat ein geothermisches Kraft – werk in die Schere zwischen einer dauerhaften ineffizienten oder einer zeitlich nur begrenzt nutzbaren Erdwarme. Da in jedem deutschen Geothermiekraftwerk ganz unabhangig von der Art der Forderung der Erdwarme die in seinem Einzugsbereich pro Zeit geforderte Erdwar – meleistung den nachfliebenden naturlichen Warmestrom um Grobenordnungen ubertrifft, ist eine nachhaltige Nutzung nicht moglich. Mit geothermischen Kraftwerken in Deutschland wird nicht der naturliche Warmestrom aus dem Erdinneren, sondern nur die in einem Teil der Erdkruste gespeicherte Energie genutzt. Diese Geothermie nutzt die gespeicherte Erdwarme wie einen Bodenschatz, der abgebaut wird, bis er schlieblich erschopft ist. Nach jeder geothermischen Nutzung eines Warmespeichers von wenigen Jahrzehnten folgt deshalb eine naturbedingte Wiederauffullungsphase von einigen Jahrhunderten. Objektiv betrachtet ist die Geothermie keine nachhaltige Technologie.
Die zeitlich deutlich eingeschrankte Nutzungsdauer von Standorten und die ebenso stark eingeschrankte thermodynamische Nutzbarkeit bei der geothermischen Stromerzeugung, die geologischen Probleme und Risiken beim Finden von Standorten und der Niederbringung der Tiefenbohrungen fur die Zirkulationssysteme sowie die Korrosionsprobleme (Bild 11.22) infolge mineralischer Inhaltstoffe aus den Gesteinsformationen machen die Geothermie ge – genuber den anderen Erneuerbaren Energien unattraktiv.
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Bild 11.22 Korrosionsprobleme bei geothermischen Anlagen
Ein nennenswerter Beitrag zur Grundlast bei der Stromerzeugung ist trotz der gehofften Grundlastfahigkeit kaum zu erwarten. Die geothermische Stromerzeugung wird in Deutschland allenfalls eine Nischentechnologie bleiben. Die heutige Beschaftigung mit der Geother – mie insbesondere zur Stromerzeugung ist allein durch das EEG und sonstige FordermaBnah – men zum Leben erweckt worden. Ohne diese Uberforderung, die sogar die der Photovoltaik ubersteigt, wurden diese Aktivitaten gar nicht stattfinden.
Im Gegensatz zur sinnvollen Nutzung der Erdwarme im erdoberflachennahen Bereich allein zur Warmeversorgung, die nicht Gegenstand des vorliegenden Buches ist, sind fur die ge – othermische Stromerzeugung in Deutschland keine Erfolgsausschichten zu erkennen. Die fur die geothermische Stromerzeugung erforderliche erdkernnahe Geothermie erfordert einen zu groBen Aufwand an Infrastruktur in Form mehrerer Kilometer tiefer Bohrungen fur das Zir – kulationssystem zur Forderung der Erdwarme. Diese Technologie ist die teuerste und die risikoreichste aller nach dem EEG geforderten Erneuerbaren Energien. Der Aufwand zur Bereitstellung der Erdwarmeleistung steht in krassem Missverhaltnis zu der damit realisierba – ren Stromerzeugung.
Zudem bestehen geologische Risiken, die sich in Bodenabsenkungen, Bodenaufquellungen, Erdbeben und anderen Erscheinungen zeigen, die mittlerweile zu Akzeptanzproblemen fur die Geothermie gefuhrt haben. In Tabelle 11.3 sind einige bekannte Vorfalle aufgelistet, die nachweislich durch geothermische Bohrungen in Tiefen von etwa 140 m bis 5000 m verur – sacht wurden.
Tabelle 11.3 Bekannte Vorfalle mit Folgeschaden verursacht durch Geothermie-Bohrungen
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Die geologischen Risiken sind selbst fur die ausschlieBliche Warmeversorgung nicht zu un – terschatzen, wie die in der Tabelle mit aufgefuhrten Falle Staufen und Stuttgart zeigen. Die Warmenutzung mit erdoberflachennahen Verfahren ist dagegen frei von derartigen geologi – schen Storfallen.