Unmittelbar nach dem ersten Atombombentest (Trinity-Test am 16. Juli 1945) wurden die ersten einsatzfahigen Atombomben durch die USA am 6. August 1945 in Hiroshima und am 9. August 1945 in Nagasaki zum Einsatz gebracht. Darauf folgte ebenso prompt am 2. September 1945 die Kapitulation Japans. Damit war nach der bedingungslosen Kapitulati – on Deutschlands am 8. Mai 1945 der zweite Weltkrieg auch im asiatischen Raum beendet. Die fruhe Kapitulation Deutschlands noch vor dem Trinity-Test bewahrte Deutschland vor dem Einsatz von Atombomben zur Beendigung des Krieges in Europa.
Die Stadt Hiroshima wurde durch die Atombombe nahezu vollstandig zerstort. Insbesondere die Wohnbereiche in der traditionellen japanischen Leichtbauweise waren nach dem Angriff vollstandig eliminiert. Nur von den wenigen vorhandenen Massivbauten blieben Reste erhal – ten (Bild 9.8).
Bild 9.8 Zerstorungsbild von Hiroshima |
Nach dem schnellen Wiederaufbau ab 1949 entwickelte sich Hiroshima zu einem wichtigen Industriestandort und ist heute mit uber 1,1 Millionen Einwohnern die elftgrobte Stadt Japans. Zur Zeit des Bombenangriffs hatte Hiroshima nur 500 000 Einwohner. Die Strahlen – belastung ist heute offensichtlich auf einem von der Bevolkerung ertragbaren Niveau. Hiroshima (Bild 9.9) und ebenso Nagasaki (Bild 9.10) sind florierende Grobstadte geworden.
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Bild 9.9 Hiroshima
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Bild 9.10 Nagasaki
Die Entwicklung der menschlichen Population und der Okonomie in den beiden im Jahr 1945 nuklear nahezu vollstandig zerstorten japanischen Stadten Hiroshima und Nagasaki, die sich auch anschaulich in den heutigen Stadtebildern spiegeln, zeigen eindeutig, dass durch den Abwurf der beiden amerikanischen Atombomben das menschliche Leben dauerhaft weder zerstort noch in seiner Weiterentwicklung behindert werden konnte. Das Leben selbst hat
nach der durch den Bombenabwurf spontan nuklear erzeugten Apokalypse zuruck zur Nor – malitat gefunden. Der Wiederaufbau der Stadte wurde bereits funf Jahre nach dem Atom – schlag in die Tat umgesetzt.
Die meisten Opfer des ersten Einsatzes einer Atomwaffe auf Menschen uberhaupt gab es in Hiroshima. Neben den Soforttoten in der Grobenordnung von Hunderttausend sind noch die Toten in der gleichen Grobenordnung zu beklagen, die nicht unmittelbar durch die bei der Energiefreisetzung der Bombe erzeugten Druck – und Hitzewelle, sondern durch die freige – setzte starke nukleare Strahlung in Kombination mit der Aufnahme von kontaminiertem Wasser und Nahrungsmitteln in den Folgewochen qualvoll starben.
Beim Abwurf der Atombomben (Hiroshima: Uranbombe, Nagasaki: Plutoniumbombe) gab es noch keine Erkenntnisse uber die mit dem militarischen Zerstorungspotenzial der Bombe (Druck – und Hitzewelle) verknupften Nebenwirkungen durch die radioaktive Strahlung.
Nach Kriegsende begannen Mediziner, den Gesundheitszustand der Uberlebenden zu doku – mentieren. Die Erkenntnisse aus diesen Studien sind heute die Grundlagen zur Beurteilung der Wirkung der im nuklearen Bereich auf Menschen einwirkenden radioaktiven Strahlung [19, 20, 21].
Ein wichtiges Ergebnis ist die Kenntnis derjenigen Strahlendosis, die gerade noch ertragen werden kann, ohne unmittelbar infolge des Strahlenereignisses zu Tode zu kommen. Die in Bild 9.11 anschaulich dargestellte Wirkungs-Dosis-Beziehung zeigt, dass dieser Grenzwert Dg bei einer Dosis von etwa 1 Sv erreicht wird.
D [Sv]
Bild 9.11 Wirkung-Dosis-Beziehung: Todesrate eines Kollektivs in Abhangigkeit von der Bestrahlungsdosis im Zeitfenster von 30 Tagen
Bei hoheren Dosiswerten nimmt die Wirkung zu. Die Anzahl der Toten NT des bestrahlten Kollektivs von N Individuen steigt an. Beim Erreichen der Dosis DT sind schlieblich alle bestrahlten Individuen tot. Die Wirkung in der Darstellung als Todesrate NT/N erreicht den Wert W(D = Dt) = 1.
Die Atombombenuberlebenden sind offensichtlich mit einer Dosis D < 6 Sv bestrahlt worden. Umfangreiche medizinische Beobachtungen und Untersuchungen [19, 21] der Atombombenuberlebenden in Japan, die auch heute noch fortgesetzt werden, haben zur Feststel – lung der folgenden in Tabelle 9.2 aufgelisteten Fakten gefuhrt, die im Vergleich mit Erkran – kungen und Todesfallen der in der unbestrahlten Umgebung lebenden Bevolkerung ermittelt wurden.
Tabelle 9.2 Durch Bombe erhohte Leukamie – und Krebstote im Zeitraum von 1945 bis 2010
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Eine erhohte Haufigkeit von Erbschaden konnte nicht festgestellt werden. Offensichtlich sind die Mechanismen (Reparatur – und Eliminierungsprozesse bei Keimzellen) zur Erhaltung der Art auch beim Menschen starker ausgepragt als die zur Erhaltung des Individuums, das durch Leukamie – und Krebserkrankungen gepeinigt wird. Missbildungen durch vorgeburtliche Bestrahlung konnten in etwa 30 Fallen festgestellt werden, die zeigen, dass das sich entwi – ckelnde Zentralnervensystem und insbesondere das Gehirn die hochste Strahlungsempfind- lichkeit aufweist.
In Bild 9.12 sind die Tote/Jahr der Atombombenuberlebenden dargestellt. Nach den anfang – lich dominierenden Todeszahlen infolge Leukamie sind heute zunehmend Krebstote zu be – klagen. Ursache hierfur sind grobe Latenzzeiten fur Krebserkrankungen. Altersbedingt kommt es deshalb erst heute zu dem beobachteten Anstieg an Krebstoten.
Strahlungstote / Jahr
Bild 9.12 Strahlungsbedingte Todesfalle pro Jahr unter den etwa 120 000 Uberlebenden von Hiroshima und Nagasaki [21] |
Insgesamt ist festzustellen, dass, im Widerspruch zu der insbesondere in Deutschland verbrei- teten offentlichen Meinung, die Anzahl der strahlungsbedingten Langzeittoten in Japan infol – ge der Atombombenabwurfe in Hiroshima und Nagasaki nicht in die Tausende oder gar Zehntausende geht. Die Uberlebenden von Hiroshima und Nagasaki unterscheiden sich nicht signifikant von Bewohnern anderer japanischer Stadte.
Langfristig treten aber auch Wirkungen bei Dosiswerten D < 1 Sv auf. Im Normalfall ohne signifikante spontane Strahlung durch Kernwaffen und Reaktorunfalle ist deshalb die dauer – haft uber die Lebensspanne ertragbare Dosisleistung von Interesse. Die immer wiederkehren – de Behauptung, dass es fur schwache Strahlungsbelastungen keinen Grenz – oder Schwellen – wert gibt, ist schlicht falsch. Wahr ist, dass sich Grenzwerte nicht direkt experimentell be – stimmen lassen, bei deren Uberschreitung sich sowohl die Lebensqualitat verschlechtert als auch die Lebenserwartung verkurzt. Im hier interessierenden Strahlungsfall kann der Grenz – oder Schwellenwert aber anders als bei Schadstoffbelastungen (Asbest, PCB, …) allein aus der Tatsache der Existenz der heute lebenden Menschen abgeleitet werden, deren Vorganger die naturlichen Strahlungsbelastungen offensichtlich ertragen und uberlebt haben. Selbst an Orten mit geologisch bedingt extrem starker terrestrischer Strahlung, durch die sich die zu ertragenden Gesamtdosisleistungen auf 20 mSv/a im Schwarzwald und auf sogar 450 mSv/a im iranischen Ramsar steigern, sind keine zusatzlichen signifikanten Erkrankungen der dort lebenden Menschen im Vergleich zu den Erkrankungen der in weitaus weniger belasteten Gebieten lebenden Menschen zu beobachten. Erstaunlich ist, dass etwa im iranischen Ramsar viele Einwohner im Laufe ihres Lebens eine Dosis ertragen, die deutlich uber der spontan todlichen Dosis D > 6 Sv liegt. Die in der deutschen Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) genannte Grenzdosisleistung fur Erwachsene von 20 mSv/a kann im Vergleich mit den natur – lichen von den Menschen ertragenen Strahlungsbelastungen a priori ausgesprochen werden und bedarf keines weiteren Beweises. Die mittlere Strahlenbelastung eines Deutschen pro Jahr liegt selbst fur einen Piloten mit 800 Flugstunden deutlich unterhalb dieses Grenzwertes.
Durch die Strahlung wird organisches Gewebe geschadigt. Diese Schadigungen werden bis zu einer gewissen Strahlenbelastung durch die Reparaturmechanismen des Korpers be – herrscht. Das organische Leben hat sich seit seiner Existenz auf derartige Schaden eingestellt. Das Immunsystem kontrolliert und ersetzt geschadigte Zellen durch neue Zellen. Erst wenn die Anzahl der abgetoteten Zellen zu grofi wird, kommt es zu Vergiftungen und Absterben ganzer Zellverbande. Deshalb sollten die Strahlenbelastungen unterhalb des sich aus den naturlichen Gegebenheiten entstehenden Grenzwerts bleiben, so dass in der gesamten Le- bensspanne eines Menschen keine zusatzlichen negativen Wirkungen auftreten. Der Erhal – tung eines moglichst intakten Immunsystems kommt dabei besondere Bedeutung zu, damit auch bei fortgeschrittenem Lebensalter der Bestrahlten die Fehler bei den Zellreparaturen moglichst klein bleiben, die letztlich Ursache fur Erkrankungen wie Leukamie und Krebs sind. Rauchen, Fehlernahrung und Bewegungsmangel beeinflussen die Funktion des Immun – systems negativ.