Bei jedem Brennelementwechsel werden abgebrannte Brennelemente aus dem Reaktor ent – nommen und im Brennelementlagerbecken im Reaktorgebaude abgesetzt. In der Zeit bis zum nachsten Brennelementwechsel konnen diese dort thermisch abklingen. Um Platz fur die beim nachsten Brennelementwechsel dem Reaktor entnommenen Brennelemente zu schaffen, werden die am langsten gelagerten Brennelemente mit der dann niedrigsten Nachzerfalls – warmeleistung in externe Wasserbecken oder Trockenlagerbehalter umgelagert. Die beim radioaktiven Nachzerfall entstehende Warme wird mit aktiven, passiven oder inharent siche – ren Kuhlsystemen in die Umgebung abgefuhrt (Bilder 6.4, 6.5, 6.6). Aufierdem wird in den Wasserbecken durch borierte Strukturen in den Lagergestellen die Unterkritikalitat sicherge- stellt, so dass sich keine erneute Kettenreaktion einstellen kann. Eine Wasseruberdeckung von etwa zwei Meter Hohe schutzt das Bedienungspersonal gegen die von den Brennelemen – ten emittierte radioaktive Strahlung. Nach einer Abklingzeit von einigen Jahren ist die Nach – zerfallswarmeleistung so weit abgeklungen, dass die Brennelemente aus den Wasserbecken entnommen und trocken gelagert werden konnen. Die Trockenlagerbehalter werden sowohl zur sicheren Aufbewahrung als auch zum Transport verwendet.
Am Beispiel der heute ublichen Verwahrung der abgebrannten Brennelemente in Nasslagern lassen sich die unterschiedlichen Sicherheitsphilosophien
• aktiv
• passiv
• inharent sicher
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wie bereits zuvor im Zusammenhang mit den Reaktorkonzepten diskutiert wurde, nochmals anschaulich darstellen und deutlich machen.
Brennelemente
Bild 6.4 Aktives Wanneabfuhrsystem mit Pmnpe
In Bild 6.4 ist die Abfuhr der von den Brennelementen erzeugten Nachzerfallswarme mit einem aktiven System dargestellt, das eine Pumpe benotigt. Beim Ausfall der Pumpe kann das System die anfallende Warme nicht abfuhren. Wenn die Warmeabfuhr langerfristig aus – fallt, kommt es zwangslaufig zum Aufheizen der Brennelemente, so dass radioaktive Freiset – zungen nicht ausgeschlossen werden konnen. Wenn auch die Karenzzeiten zum Eingreifen und die erforderlichen MaBnahmen weitaus anspruchsloser als bei der Nachzerfallskuhlung des Reaktors nach dem Abschalten der Kettenreaktion sind, kann es wegen der Storanfallig – keit von aktiven Systemen selbst bei der Lagerung nuklearer Abfalle zu drastischen Auswir- kungen kommen, wie dies die nukleare Situation in den Wasserbecken nach der Naturkata – strophe in Fukushima real gezeigt hat.
Bild 6.5 Passives Warmeabfuhrsystem |
In Bild 6.5 ist die Abfuhr der von den Brennelementen erzeugten Nachzerfallswarme mit einem passiven System dargestellt, das keine Pumpe benotigt. Durch sich im Schwerefeld der Erde frei einstellende Naturumlaufstromungen
• im Lagerbecken
• im Zwischenkuhlkreis
und im Kamin
die allein durch die Nachzerfallsleistung der Brennelemente im Lagerbecken angetrieben werden, gelingt die Warmeabfuhr ohne Fremdenergie und ohne manuelles Eingreifen. Ein derartiges Nasslager mit einem ganzlich passiven Warmeabfuhrsystem wurde am Standort des Kernkraftwerks KKG in Gosgen (Schweiz) weltweit erstmalig realisiert.
Bei der Einlagerung von abgebrannten Brennelementen in einen Lagerbehalter nach Bild 6.6 gelingt die Abfuhr der Nachzerfallswarme ohne Fremdenergie und ohne Einschaltvorgang, ohne dass zum Erreichen dieses Ziels zusatzlich ein konstruktiv ausgebildetes Warmeabfuhrsystem erforderlich ist. Die Warme wird allein mit den naturlich wirkenden Effekten der Warmeleitung, Naturkonvektion und Warmestrahlung abgefuhrt.
Bild 6.6 Inharent sicheres Warmeabfuhrsystem |
Dieses Warmeabfuhrsystem ist inharent sicher, da die Warmeabfuhr ganz ohne konstruktiv ausgebildetes Hilfssystem erreicht wird, das in seiner Funktion deshalb auch nie ausfallen kann. Eine ahnliche Situation liegt beispielsweise auch bei klassischen Windradern vor, de – ren guter Wirkungsgrad stromungsmechanisch durch die Ausbildung einer Stromrohre verur – sacht wird, die materiell gar nicht vorhanden ist [16]. Systeme, die ihre Aufgabe allein mit Hilfe der Naturgesetze erfullen, funktionieren immer und erfordern zudem keinen okonomi- schen Aufwand. Diese technologische Nutzung der Natureffekte hatte auch schon J. W. von Goethe im Sinn, die er mit dem Satz
“Unsere ganze Aufmerksamkeit muss aber darauf ausgerichtet sein,
der Natur ihre Verfahren abzulauschen“
dichterisch umschrieben hat.